Vor einem grünen Hintergrund ist ein Weihnachtsbaum gemalt. Darunter steht das Zitat: "Jetzt, jetzt brech' ich mal kurz zusammen."

Der folgende Text wurde von zwei Autor*innen gemeinsam verfasst. Die erste Person skizzierte den Beginn einer krisenhaften Situation. Die zweite Person spitzte die Krise zu und beendete sie so, wie es ihr stimmig erschien.

Merry Kris-Mess

Last crisis I gave you my heart. Eine Krise? Dauerkrise! Immerwiederkrise. Nach der Krise ist vor der Krise. Bei mir ist ständig Kris-Mess. Gestern war’s mal wieder so weit. Ich dachte: Jetzt ist es soweit. Jetzt, jetzt brech ich mal kurz zusammen. So an der dicken, fetten, lauten Kreuzung mitten in der Stadt. Weil ich schon seit gefühlt zwei Stunden mit dem Fahrrad im Novemberregen unterwegs war, um mir irgendwo von irgendwem ein Wattestäbchen in die Nase stecken zu lassen, obwohl ich mich seit Wochen auf genau diesen Vormittag gefreut hatte, ein Vormittag ohne Termine, an dem ich ganz in Ruhe, ja, noch nicht mal faulenzen, nein, einfach nur mal ganz in Ruhe ARBEITEN wollte. Da verließ er mich, der Mut und da kam sie, die Traurigkeit. Kann mir mal jemand verraten, warum ich mein ganzes Leben versuche, ein guter Mensch zu sein, secondhand kaufe, das Auto nie benutze, mein letztes Geld dem regionalen Biobauer gebe, mich an alle Scheißcoronaregeln halte, mich täglich selbst zuhause teste, dem dadurch entstehenden Plastikmüllberg verzweifelt beim Wachsen zusehe, bisher niemanden angesteckt habe und – ja – mich jetzt auch von einer Impfung hab überzeugen lassen und mir jetzt noch nicht mal eine Tüte Schmalzkuchen zum Trost kaufen darf? Hätte ich gezwinkert, wären die Leute um mich herum in meinen Tränen ersoffen. Stattdessen hab ich sie runterschluckt.
Statt Schmalzkuchen.

Und zwischen meinem verzweifelten Kampf mit den Tränen piepte mein Handy. Mitten an der brechend vollen Kreuzung, auf meinem Fahrrad. Nee, dachte ich mir. Ich gucke jetzt nicht auf mein scheiß Handy, da dieser katastrophale Tag sonst mit Weihnachten im Krankenhaus endet. Ich sah die Feiertagskarten schon vor mir! Bunte, leuchtende, Geräusche fabrizierende Dinger aus der Hölle mit vorgedrucktem Text: Happy Christmas. Nichts da. Allerhöchstens Kris-Mess. Die Ampel wurde grün, der Novemberregen peitschte mir ins Gesicht. Das wars, bei aller Liebe zu Schmalzkuchen: Ich gehe nie wieder aus dem Haus. Frustriert blieb ich auf dem Fußgängerweg stehen. Keinen Schritt mehr weiter, dachte ich mir; ich drehe jetzt um. Ich mach mich hier doch nicht zum Affen. Mein Handy gab noch einen ohrenbetäubend ätzenden Laut von sich. – Na schön, dann gucke ich halt jetzt. Eine Meldung in den Nachrichten! Bestimmt nur eine neue scheiß Regelung. Ich klickte drauf und starrte das Display an. Regen klatschte mir ins Gesicht. Beschränkungen aufgehoben?! Unglaublich. Jetzt hole ich mir diesen beschissenen Schmalzkuchen.