Der folgende Text wurde von drei Autor*innen gemeinsam verfasst. Die erste Person skizzierte den Beginn einer krisenhaften Situation. Die zweite Person spitzte die Krise zu und die dritte beendete sie so, wie es ihr stimmig erschien.
Das frauenfreundliche Parkhaus
Vor mir lag das frauenfreundliche Parkhaus. Was genau war hier eigentlich frauenfreundlich? Die eine extrahelle Lampe mehr am Eingang? Ich brummelte vor mich hin und griff in meine Handtasche, um den Parkschein herauszuziehen.
Kein Parkschein.
Das Fach war leer. Kann nicht sein. Ich hatte den Pappzettel doch extra in dieses kleine Fach gesteckt. Ich schaute ungläubig hinein. Leer!
Kein Parkschein.
Ich griff in das andere Fach: Lippenstift, Kaugummi, Handy, der Kaffeekeks von heute Abend.
Kein Parkschein!
Er musste in der Tasche sein. Noch nie hatte ich meinen Parkschein verloren. Das konnte nicht sein, nicht heute Abend.
Ich packte meine Handtasche restlos aus und schüttelte das Futter. Letzte Krümel fielen heraus.
Kein Parkschein.
Scheiße, scheiße, scheiße, das Parkhaus würde gleich schließen. Ich hetzte nach oben auf das Parkdeck, vielleicht hatte ich ihn ja doch, im Wagen.
Kein Parkschein.
Ich hörte, wie sich die Gitter vor den Zufahrten schlossen und fing an zu schwitzen. Das durfte einfach nicht wahr sein, nein, nein, nein. Ich lief die Treppen zum Kassenautomat herunter. Fütterte den Automaten mit dem für solche Fälle vorgesehenen Betrag.
Kein Parkschein.
Ungläubig starrte ich auf die aufleuchtende Meldung.
Kein Parkschein.
Ich drückte den Notfallknopf. Irgendwo läutete ein Telefon. „Guten Tag.“ – „Ja. Hallo, ich stehe hier im Parkhaus in der Rathausstraße, ich habe meinen Parkschein verloren, habe die 25 Euro Strafe bezahlt und nun schreibt mir dieser blöde Automat, er könne mir keinen Parkschein ausdrucken, die Gitter sind zu und ich soll eine Gutschrift im Rathaus anfordern,“ ratterte ich ins Mikro. Eine mechanische Stimme meldete sich mit einer Ansage: „Das Parkhaus am Rathaus ist täglich von 6 bis 23 Uhr geöffnet. Für Schäden am Kassenautomaten oder für Gutschriften wenden Sie sich bitte zu den angegebenen Öffnungszeiten an das Amt für Parkwesen im Rathaus.“ „Äh, ja, ob ich das wohl weiß? Ich will hier raus!“, brüllte ich ins Mikro.
Scheiße, Scheiße, Scheiße!
„Scheißkackfrauenparkhaus! Das findet ihr wohl lustig oder was?“ Im Kopf ging ich meine Möglichkeiten durch und fand exakt zwei: Entweder ich übernachtete im Auto bei einer verfluchten Temperatur von nur einem nasskalten Grad, oder ich ließ mein Auto stehen und nahm den Notausgang – ohne Mantel, den ich in der Eile NATÜRLICH zu Hause vergessen hatte. Super. Perfekt. Das war genau das Richtige nach diesem Abend mit grottiger Inszenierung, in Begleitung einer depressiven Freundin und inklusive Begegnung mit dem Ex und seiner neuen Tusse. Mega. Dass ich am Arsch der Welt wohnte und mein Scheißauto brauchte, um nach Hause zu kommen, weil der letzte von zwei Bussen ungefähr mittags fährt – toll, super, fantastisch! Ich liebe mein Leben! „Wisst ihr, ich liebe mein Leben. Es ist gerade echt richtig, richtig toll!“, schrie ich in die Weite des Parkhauses.
Okay: Einatmen, ausatmen, reiß dich zusammen, geh zum Auto, hol dir die alte Decke und verlass einfach so schnell wie möglich dieses Parkhaus durch den Notausgang. Dachte ich noch.
Und dann, dann ging das Licht aus. Einfach so. Licht aus.
Meine Knie knickten ein. Ich habe echt nicht vor vielen Dingen Angst, aber wenn es um mich herum dunkel ist, gehen in mir drin alle Alarmleuchten an – und alle Alarmsirenen. Es blitzte so grell und schrillte so laut in meinem Kopf, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Die Angst verbiss sich mit spitzen Zähnen in meinen Rücken. Nichts ging mehr. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, nicht einmal schreien, nicht einmal „Hilfe!“ flüstern. Dass ich heute Nacht hier sterben würde, an Herzversagen, Erfrierungen und Schüssen aus dem Hinterhalt war das Einzige, was ich noch denken konnte. Ich hockte dort auf dem Boden, neben den Automaten, zwischen stinkenden Kippen, fror mir den Arsch ab und musste vor lauter Angst jetzt auch noch dringend aufs Klo.
Klack!
Das Licht flammte auf. Plötzlich war es wieder taghell im Parkhaus. Ich hörte Stimmen. Aufgeregte Wortfetzen drangen an mein Ohr. Die Angst in mir stieg immer höher. Was sollte ich nur tun? Ich suchte nach einem Versteck – da, vor dem großen Auto würde man mich nicht sehen. Blitzschnell verschwand ich und duckte mich vor dem Kühler des Wagens. Puh, gerade noch rechtzeitig geschafft!
Schritte, Stimmen kamen immer näher. Und plötzlich gingen die Scheinwerfer am Wagen an und ich war in dieser Helligkeit deutlich sichtbar. Jetzt war alles vorbei. Ich erstarrte zur Salzsäule, konnte mich nicht bewegen. Und dann stand plötzlich ein Mann vor mir. „Bitte beruhigen Sie sich, wir tun Ihnen nichts. Können wir Ihnen helfen?“ Eine kleine Gruppe von Menschen stand um mich herum. Irgendwie kamen sie mir bekannt vor. Einer von ihnen legte mir seine Jacke um. „Sie zittern ja wie Espenlaub“. Jetzt war es mit meiner Restbeherrschung endgültig vorbei. Die Tränen schossen mir aus den Augen. Ich erzählte von meinem Pech mit dem Parkschein, erwähnte auch meine Enttäuschung über den misslungenen Theaterbesuch. Lautes Lachen! „Nicht nur Sie sind enttäuscht – meine Kollegen und ich aus dem Ensemble sind es ebenso.“ Booh – jetzt erkannte ich die vor mir stehenden Männer auch. Das waren einige der Schauspieler aus dem Stück. Ich musste ebenfalls lachen. Was für eine komische Situation. Würde sich glatt eignen für eine Aufführung!
Wir standen scherzend im Parkhaus und der Fahrer der Gruppe bot mir an, mich nach Hause zu fahren. Der Abend wurde noch richtig schön. Wir saßen bei Kaffee und Keksen lange zusammen, diskutierten über die Inszenierung und fanden Verbesserungen für die noch folgenden Aufführungen. Unser Beisammensein endete mit einer herzlichen Einladung der Schauspieler, die Aufführung noch einmal zu besuchen und danach zusammen bei einem schönen Essen zu reflektieren.
Kein Parkschein? Ein Problem? Dieser fehlende Parkschein hatte mir einen ganz tollen Abend geschenkt.